Ehrenamtliches Nähatelier

Wo die Fäden zusammenlaufen

Dame an der Nähmaschine im Nähatelier
© Amelie Geiger

Jeden Mittwoch verwandelt sich der Gemeinschaftsraum einer Einrichtung für geflüchtete Menschen in eine kleine Werkstatt voller Stoffe, Lachen und Austausch. Das ehrenamtlich organisierte Nähatelier zeigt, wie niedrigschwellige Angebote Zusammenhalt schaffen.

Der Regen prasselt an diesem Vormittag unaufhörlich gegen die Fensterscheiben. Im Gemeinschaftsraum eines Münchner Wohnheims für geflüchtete Menschen mischt sich das gleichmäßige Trommeln draußen mit einem anderen Rhythmus: Klack, klack, klack. Es ist das Geräusch einer Nähmaschine.

An einem großen Tisch sitzt die Ehrenamtliche Sahideh Mohamadi. Mit ruhigen Bewegungen führt die 49-Jährige den Stoff unter die Nadel. Zehn Jahre lebt die Mutter von fünf Kindern bereits in Deutschland, ihre Ausbildung zur Schneiderin hat sie im Iran absolviert. Seit einem halben Jahr verwandelt sie den grauen Mittwochvormittag in ein buntes Ritual: das „Nähatelier“. In der Einrichtung wohnen vor allem Angehörige afghanischer Ortskräfte, iranischer Oppositioneller und syrischer Kriegsverletzte. Hier gibt Sahideh Mohamadi im Kurs ihr Wissen über Stoffe, Schnitte und Fäden an Bewohnerinnen weiter.

Nach und nach öffnen sich die Türen, Frauen treten ein – manche mit Schüsseln voller Speisen, andere mit dampfenden Teegläsern. Der Tisch füllt sich, Stoffbahnen und Garnrollen wandern von Hand zu Hand. Viele Worte werden nicht gewechselt, doch die Atmosphäre ist warm. Ein Lächeln, ein Nicken, das gemeinsame Staunen über ein fertig gewordenes Kleidungsstück sagt oft mehr als Sprache.

„Ich mache das gerne“, sagt Sahideh Mohamadi leise. „Die Frauen kommen raus aus ihrem Alltag – und für mich ist es auch ein bisschen wie Therapie.“

In einer großen Kiste liegen Stoffreste, gespendet von Münchner Bürger*innen. Daraus entstehen Taschen, Röcke, kleine Reparaturen. Um Sprachbarrieren zu überwinden, unterstützt Meena Niazi, eine Assistenzkraft der Unterkunft, bei der Organisation und mit Übersetzungen. „Die Frauen warten manchmal schon vor der Tür“, erzählt sie. „Das Nähatelier ist für sie ein Ort der Gemeinschaft. Und etwas selbst reparieren zu können, bedeutet vielen sehr viel - auch aus kulturellen Gründen. Außerdem kann sich nicht jede neue Kleidung leisten.“

Frau Mohamadi engagiert sich seit 2020 ehrenamtlich bei der Diakonie München und Oberbayern. Schon zuvor hatte sie das Nähatelier in anderen Einrichtungen angeboten – unter anderem in einer Unterkunft für geflüchtete Menschen in der ehemaligen Bayernkaserne, in der sie selbst lebte.

Das Nähatelier ist nur eines von vielen Angeboten in der Einrichtung. Ehrenamtliche organisieren Fußballtrainings, Gitarrenunterricht, eine Kinder-Musikgruppe, Deutschkurse für Frauen, Nachhilfe und sogar Unterstützung bei Bewerbungen.

Dr. Mahmoud Arghavan, zuständig für die Ehrenamtskoordination, begleitet diese Vielfalt mit Leidenschaft. „Seit neun Jahren brenne ich jeden Tag aufs Neue für diese Aufgabe“, sagt er. „So viele großartige Menschen habe ich kennengelernt. Alle vereint etwas: das Ziel, Menschen zusammenzubringen und ein großes Herz.“


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