Fachtagung "Die vielen Einsamkeiten" in der Evangelischen Akademie Tutzing
Ideen für mehr soziale Teilhabe

Eine "konstruktive Einsamkeitspolitik" forderte der Soziologe Prof. Dr. Berthold Vogel bei der Fachtagung "Die vielen Einsamkeiten". Bei der Veranstaltung in der Evangelischen Akademie Tutzing wurde deutlich: Einsamkeit ist kein rein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches.
In Deutschland gelten nach dem Einsamkeitsbarometer von 2024 rund elf Prozent der Menschen als einsam. Bestimmte Gruppen tragen dabei ein höheres Risiko, sich einsam zu fühlen: beispielsweise einkommensschwache Haushalte, Menschen mit Behinderung oder einer Migrationsgeschichte sowie pflegende Angehörige. Einsamkeit hat viele Gesichter. Dabei ist sie mehr als eine individuelle Herausforderung.
Einsamkeit hat Konsequenzen für Gesellschaft und Demokratie: Wer sich einsam fühlt, verliert leichter das Vertrauen in politische und staatliche Institutionen. Gleichzeitig kann Einsamkeit krank machen, sowohl körperlich als auch seelisch.
Die Evangelische Akademie Tutzing hat daher eine mehrtägige Fachtagung zum Thema Einsamkeit organisiert. Kooperationspartner*innen waren die Wirkstatt evangelisch der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit in der Evangelischen Kirche Deutschland (EAfA), die Diakonie München und Oberbayern sowie der Spitzenverband der Diakonie in der Region München, Weilheim und Bad Tölz.
In zahlreichen Vorträgen, Workshops und Reflexionsrunden stellten sich die rund 100 Teilnehmenden und Referent*innen gemeinsam die Fragen: Wie kann mehr Miteinander gelingen? Welche Strukturen braucht es, um einsame Menschen zu stärken? Wie gelingt erlebte Gemeinschaft?
Vorstandssprecherin Andrea Betz betonte in ihrem Grußwort zur Eröffnung der Tagung, wie wichtig Lösungen für die Einsamkeitsproblematik sind, damit sich alle Menschen in unserer Gesellschaft gesehen und zugehörig fühlen.
Der Soziologe Prof. Dr. Berthold Vogel vom Soziologischen Forschungsinstitut in Göttingen wies darauf hin, dass Einsamkeit eine soziale, politische und institutionelle Herausforderung darstellt und fordert eine "konstruktive Einsamkeitspolitik". Dafür brauche es auch entsprechende Infrastruktur, Finanzierung und einen starken Sozialstaat.
Auch Vertreter*innen der Diakonie waren vor Ort, um ihr Fachwissen zu Faktoren für Einsamkeit aber auch Maßnahmen für mehr Teilhabe einzubringen:
- Sabine Bankauf, Leitung Referat Ehrenamt, Diakonie München und Oberbayern
- Gudrun Blänsdorf, Fachreferentin für Einsamkeit in der Bezirksstelle München, Weilheim und Bad Tölz
- Katharina Griepenburg, Vorstandsreferentin der Diakonie München und Oberbayern
- Dr. Klaus Keller, Fachreferent für Sozialpsychiatrie und Gesundheit in der Bezirksstelle München, Weilheim und Bad Tölz
- Luisa Taubert, Verbandsreferentin für Soziales der Bezirksstelle München, Weilheim und Bad Tölz
- Ines Terhuven, Einrichtungsleiterin Schuldner- und Insolvenzberatung beim Evangelischen Hilfswerk München
Terhuven ist der Überzeugung, dass zwischen Einsamkeit und Armut eine verhängnisvolle Wechselwirkung besteht. "Armut führt oft zu Einsamkeit. Gleichzeitig kann der Versuch, Einsamkeit zu kompensieren, wiederum Armut verstärken. Diese Spirale muss unterbrochen werden. Wir brauchen Maßnahmen, um den steigenden Lebensunterhaltskosten entgegenzuwirken. Möglichkeiten der sozialen Teilhabe sollten für alle zugänglich sein, damit sie eine echte Quelle für Entlastung und Anschluss sind."
Im abschließenden Panel, moderiert von Katharina Griepenburg, diskutierten Prof. Dr. Vogel, Christian Druck vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales und Gudrun Scheiner-Petry von der Wirkstatt evangelisch über die Frage, wie einsamen Menschen konkret in der Zukunft geholfen werden sollte. Es wurde deutlich, dass es dafür starke Kommunen sowie niedrigschwellige Angebote braucht, die kostenlos zur Verfügung stehen. Auch öffentliche Räume, die für alle zugänglich sind, führen zu mehr sozialer Teilhabe.
Diakonie München und Oberbayern - Innere Mission München e.V.
Landshuter Allee 40
80637 München

