Rolle der Migrationsberatung

Andrea Betz: "Als Einwanderungsland haben wir die Aufgabe, zugewanderte Menschen beim Ankommen und bei ihrer Integration zu unterstützen"

Andrea Betz: "Inklusion ist ein fortwährender Prozess." Foto: Tanja Kernweiss

"Soziale und politische Integration gelingt vor allem über den Arbeitsmarkt", betont Andrea Betz. Wie sie gelingen kann, wie die Mitarbeitenden der Migrationsberatung und des Jugendmigrationsdienstes dabei unterstützen und welche Förderung es braucht, erklärt die Diakonie-Vorständin im Interview.

Frau Betz, die Diakonie München und Oberbayern begleitet mit Ihrer Migrationsberatung und dem Jugendmigrationsdienst Migrant*innen, die sich in München ein neues Leben aufbauen möchten. Welche Voraussetzungen müssen aus Ihrer Sicht erfüllt sein, damit das gelingen kann?

ANDREA BETZ: Soziale und politische Integration gelingt vor allem über den Arbeitsmarkt. Fast noch wichtiger für eine gleichberechtigte Teilhabe sind daher fundierte Kenntnisse der deutschen Sprache. Unsere Mitarbeitenden der Migrationsberatung und des Jugendmigrationsdienstes leisten hier einen wichtigen Beitrag, indem sie zum Beispiel Sprachkurse vermitteln, bei der Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen oder bei Bewerbungen unterstützen. Inklusion wird sich aber nicht einfach so einstellen, sie ist ein fortwährender Prozess, für den es gesetzliche Grundlagen und eine ausreichende finanzielle Förderung geben muss. Das gilt vor allem mit Blick auf die Bildungspolitik, die für mich ein Grundpfeiler gelungenen Zusammenlebens und für Teilhabe ist. Zum Beispiel erschweren in vielen Ländern Krieg und Armut eine gute Schulbildung. Dieses Bildungsgefälle muss ausgeglichen werden, wenn wir Inklusion erreichen wollen.

Inklusion – der Begriff ist jetzt schon ein paar mal gefallen: Was verstehen Sie darunter?

Inklusion will von Anfang an alle Menschen gleichberechtigt einbeziehen, so dass niemand ausgegrenzt und diskriminiert wird. Dabei entsteht ein ganz eigenes und neues System, das sich den Bedürfnissen seiner Individuen anpasst. Vielfalt soll dabei nicht "glatt gebügelt" werden, sondern als Bereicherung betrachtet werden.

Sie haben eingangs erklärt, wie wichtig Sprachkurse und der Zugang zum Arbeitsmarkt für Migrant*innen sind, damit Inklusion gelingen kann. Gerade für Menschen in einem Asylverfahren bestehen hier jedoch oft bürokratische Hürden.

Gerade bei der Rechtssicherheit besteht Optimierungsbedarf. Schnellere Verfahren, die das Bangen von Duldung zu Duldung ablösen, bieten nicht nur zugewanderten Menschen Perspektive, sondern auch den Unternehmen, die sie als Arbeitskräfte benötigen. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Migrantinnen und Migranten mutige, oft junge Menschen, die etwas aus ihrem Leben machen wollen. Wir sollten sie fördern.

Die Regierung signalisiert im Koalitionsvertrag den Willen zur Förderung. Dort steht unter anderem:"Die Migrationsberatung des Bundes (Jugendmigrationsdienste, Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderinnen und Zuwanderer) und die Migrantenselbstorganisationen werden wir angemessen fördern." Das ist sehr unkonkret formuliert. Wie muss so eine "angemessene" Förderung aus Ihrer Sicht aussehen? Was fordern Sie von den Politiker*innen?

Es ist sehr erfreulich, dass dieser Satz im Koalitionsvertrag steht. Das Wort "angemessen" lässt aber in der Tat noch viel Interpretationsspielraum. Hier brauchen wir dringend mehr Klarheit. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig diese Angebote für zugewanderte Menschen sind. Sie waren besonders von Jobverlust, drohendem Wohnungsverlust und Bildungsbenachteiligung betroffen. Die Lebenswelt der Ratsuchenden wurde teilweise von Grund auf verändert. Bei vielen ging es um die Existenz. Unsere Mitarbeitenden haben hier intensive Beratung in Krise geleistet. Als Einwanderungsland haben wir aber auch generell die Aufgabe, zugewanderte Menschen beim Ankommen und bei ihrer Integration zu unterstützen. Dafür benötigt es eine langfristige und solide Finanzierung der Migrationsberatungsdienste. Diese ist bisher nicht gegeben: Als Träger müssen wir die Fördermittel jährlich neu beantragen und durch erhebliche Eigenmittel aufstocken. Seit mehr als vier Jahren hat der Bund die Förderpauschalen für die Migrationsberatung für Erwachsene zudem nicht angehoben. Steigende Personal- und Sachkosten werden daher nicht gefördert. Hier herrscht akuter Finanzierungsbedarf.


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