Drei Fragen an...

Andrea Betz zur Sozialen Gerechtigkeit

Andrea Betz sagt, dass die soziale Herkunft noch immer über die Chancen von Menschen entscheidet.

Am 20. Februar findet der Welttag der Sozialen Gerechtigkeit statt. Aber warum braucht es überhaupt so einen Tag? Antworten von der sozialpolitischen Vorständin Andrea Betz.

Frau Betz, 2009 haben die Vereinten Nationen den Welttag der Sozialen Gerechtigkeit ausgerufen. Warum braucht es überhaupt so einen Tag?

Die Aufmerksamkeit auf soziale Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zu lenken ist wichtig. Denn immer noch entscheidet die soziale Herkunft über die Chancen von Menschen und prägt ihr ganzes Leben. Bildungschancen, die Verteilung von Vermögen und Einkommen und das damit zusammenhängende Armutsrisiko – all das hängt enorm davon ab, in welchen Verhältnissen man aufwächst und welchen Beruf die Eltern haben. Auch beim Zugang zum Gesundheitswesen, zum Arbeitsmarkt und bei der politischen Teilhabe gibt es leider noch deutliche Unterschiede.

Das gilt auch für ein wohlhabendes Land wie Deutschland?

Nach dem 6. Armuts- und Reichtumsbericht aus dem vergangenen Jahr leben 11 Prozent der Menschen in Deutschland dauerhaft in Armut. 2,8 Millionen davon sind Kinder. Nur 12 Prozent der Jugendlichen aus armen Familien besuchen das Gymnasium, aus wohlhabenderen Elternhäusern sind es 60 bis 67 Prozent. Nur jeder Vierte in dieser Lage gab an politisch interessiert zu sein. Die aktuelle Corona Pandemie mit der Schließung von Schulen, dem Wegfallen von Jobs und der zunehmenden Digitalisierung des Hilfesystems verschärft die soziale Ungleichheit noch einmal zusätzlich. Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel in Flüchtlings- oder Wohnungslosenunterkünften leben müssen, wurden häufig schulisch abgehängt, weil zum Beispiel die digitale Infrastruktur fehlte, sie keinen ruhigen Raum zum Lernen hatten und niemanden, der ihnen bei den Hausaufgaben helfen konnte. Das ist insofern dramatisch, weil Bildung die beste Armutsprävention ist.

Welche Folgen hat diese Ungleichheit für den Frieden und die Demokratie in unserer Gesellschaft?

Wenn sich Menschen abgehängt und nicht dazugehörig fühlen, gefährdet das unseren sozialen Zusammenhalt. Die Politik ist gefordert, Entscheidungen zu treffen, die soziale Gerechtigkeit fördern. Zum Beispiel würde der Ausbau der Schulsozialarbeit und der Ganztagsangebote im Bildungsbereich für mehr gleiche und gerechte Chancen sorgen. Unsere haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen leisten hier und in allen anderen sozialen Bereichen einen wertvollen Beitrag, soziale Defizite auszugleichen und Teilhabe zu ermöglichen.


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