Drei Fragen an…Andrea Betz

"Die Zivilgesellschaft entfaltet eine enorme Kraft"

Andrea Betz

Bei der Tagung "Die Zukunft der Zivilgesellschaft" der Evangelischen Akademie Tutzing diskutieren Expertinnen über den Wandel des bürgerschaftlichen Engagements. Unsere Vorständin Andrea Betz gehört zu den Referierenden. Im Interview erklärt sie, welche Rolle die Zivilgesellschaft für die Demokratie spielt.

Frau Betz, bei der Diakonie engagieren sich deutschlandweit rund 700.000 Menschen freiwillig. Eine enorme Zahl. Welche Rolle spielt dieses zivilgesellschaftliche Engagement aus Ihrer Sicht?

Zivilgesellschaftliches Engagement ist für mich der soziale Kitt, der die gesamte Gesellschaft zusammenhält. Die Menschen bringen sich ein, gestalten mit und übernehmen Verantwortung für das, was um sie herum geschieht. Ich kann mich mit meinen Talenten und bestimme selbst, wo ich mich engagieren möchte. Die Engagement-Möglichkeiten sind dabei so vielfältig wie unsere Gesellschaft. Durch dieses Mitwirken entsteht Teilhabe – und das stärkt unsere Demokratie.

Aber inwieweit entlässt sie den Staat auch ein Stück weit aus der Verantwortung?

Es gibt in der Tat Beispiele, dass staatliche Akteure versuchen, sich mit dem Verweis auf freiwilliges Engagement aus der Finanzierung bestimmter Angebote zurückzuziehen. Der finanzielle Druck, der gerade auf den Kommunen lastet, ist ja auch enorm groß. Aber es gibt bestimmte Aufgaben, die müssen von ausgebildeten hauptamtlichen Kräften übernommen werden. Ich erlebe aber in diesem Zusammenhang immer wieder, dass freiwillig Engagierte oft den Finger in die Wunde legen, auf Probleme aufmerksam machen und staatliches Handeln einfordern. Die Zivilgesellschaft entfaltet eine enorme Kraft, wenn es darum geht, Probleme in den Fokus zu rücken. Denken wir nur an Fridays for Future.

Welche Veränderungen erleben Sie in der Engagement-Kultur? Dass sich Menschen von der sprichwörtlichen Wiege bis zur Bahre für einen Verein oder auch die Kirche engagieren, scheint ja immer mehr zur Ausnahme zu werden?

Die Menschen überlegen sich sehr gut, wie und wo sie ihre kostbare Zeit einbringen wollen. Die Frage nach dem Sinn spielt für viele eine ganz große Rolle. Insofern wird das Engagement individueller. Als Diakonie haben wir das erkannt: Uns ist die professionelle Begleitung der Freiwilligen wichtig.

Über die Veranstaltung

Mit der Frage wie sich bürgerschaftliches Engagement verändert beschäftigt sich die Tagung "Die Zukunft der Zivilgesellschaft" der Evangelischen Akademie Tutzing, die vom 3. bis 5. Juni 2022 stattfindet. Diakonie-Vorständin Andrea Betz spricht am 4. Juni mit Prof. Dr. Rolf G. Heinze zum Thema „Die organisierte Zivilgesellschaft zwischen Professionalisierung und Individualisierung“. Eine Anmeldung ist noch möglich. Studierende, Auszubildende und Arbeitssuchende erhalten 50 Prozent Rabatt. Mehr Informationen: https://www.ev-akademie-tutzing.de/veranstaltung/die-zukunft-der-zivilgesellschaft/


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