"Bei der Arbeit schaue ich in den Bildschirm, hier in freudige Gesichter"

Ehrenamtlich im Hotel Regent

Julia Prez unterrichtet im Hotel Regent Deutsch. Foto: Michael Netzhammer

Julia Prez spricht Russisch und engagiert sich ehrenamtlich für Geflüchtete aus der Ukraine. Im Hotel Regent unterrichtet sie ältere Menschen in der deutschen Sprache. Der Krieg ist dabei immer gegenwärtig.

Mittlerweile hat Julia Prez Routine. Sie betritt die Hotelhalle, schwenkt unter dem gewaltigen Lüster nach links an die Rezeption und begrüßt die drei Angestellten wie alte Bekannte. Die schenken der 27-Jährigen ein Lächeln. Der junge Mann hat bereits den Schlüssel in der Hand, geht links am Aufzug vorbei und schließt den ehemaligen Konferenzraum auf.

Was einmal Gediegenheit ausstrahlen sollte, ist, wie das einstige Vier-Sterne-Hotel, in die Jahre gekommen. Brauntöne satt. Fünf Tische stehen hier und Stühle, denen man die Jahre ansieht. Der Tischkicker gehört offensichtlich nicht zur ursprünglichen Ausstattung des Hotels – genauso die Kisten voller Bauklötze und Spielsachen im abtrennbaren Nebenraum. Das Münchner Hotel Regent in der Seidlstraße beherbergt inzwischen besondere Gäste in besonderen Zeiten. In den 186 Zimmern leben rund 350 aus der Ukraine geflüchtete Frauen mit ihren Kindern sowie kranke und ältere Menschen.

Einige von ihnen kommen immer mittwochs in diesen Konferenzraum, in dem die Computerlinguistin Julia Prez seit November 2022 ehrenamtlich ihren Deutschkurs gibt. An manchen Tagen setzen sich zehn bis zwölf Hotelbewohnerinnen und -bewohner an die Tische. An diesem Mittwoch trudeln pünktlich um 17 Uhr Anna, Tatjana, Irina und Elena ein, die nicht wirklich so heißen. Die 70-jährige Anna ist seit Mai 2022 in Deutschland, Tatjana ist im September, Irina und Elena sind im Dezember 2022 gekommen.

"Heute wiederholen wir zuerst, was wir in der letzten Stunde über Kleidung gelernt haben", sagt Julia Prez auf Russisch. Die vier Frauen verbinden die Bilder der Kleidungsstücke auf dem Blatt mit ihren Begriffen und sprechen sie aus. Was Anna leicht fällt, muss Irina ein paar Mal wiederholen. "Die deutsche Sprache ist echt schwer", stellt sie fest.

Von Kasachstan in ein fränkisches Dorf

Julia Prez nickt wissend. Sie weiß, dass viele die deutsche Sprache schwierig finden. Ihr indes ist sie leicht gefallen, als sie im Jahr 2000 mit ihren Eltern von Kasachstan in ein kleines fränkisches Dorf umgesiedelt ist. In Deutschland entdeckte sie ihre Lust an Sprachen. Deshalb hat sie in Würzburg sechs Jahre studiert, unter anderem Lingustik und Anglistik. Nun lebt sie in München und bereitet für ihren Arbeitgeber Daten aus dem Netz so auf, damit Computer diese Sätze besser verstehen können.

"Bei der Arbeit sitze ich acht Stunden vor dem Bildschirm, hier schaue ich in freudige Gesichter", sagt die 27-Jährige. Warum sie sich engagiert? Sie wolle der Gesellschaft was zurück geben. "Und weil ich Russisch spreche, bot es sich einfach an, Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen", fügt sie hinzu.

"Damit ist sie für uns ein großer Gewinn, weil wir als Diakonie im Hotel Regent die Flucht- und Integrationsberatung sicherstellen", sagt Ehrenamtskoordinatorin Theresa Matschos. Julia Prez ist eine von rund zehn Freiwilligen, die für die Bewohner*innen zum Beispiel Ausflüge organisieren oder Spielevormittage für Kinder veranstalten. "Im Hotel Regent leben besonders vulnerable Menschen, die häufig nur Ukrainisch oder Russisch sprechen. Deshalb benötigen wir Ehrenamtliche, die diese Sprachen sprechen, so dringend", erklärt Theresa Matschos.

Durch ihr Engagement können gerade auch Geflüchtete Deutsch lernen, die aufgrund ihres Alters oder ihrer Behinderung einen externen Sprachkurs nur schwer besuchen können.

Der Krieg ist im Hotel Regent allgegenwärtig

Julia Prez strukturiert jeden der 60-minütigen Kurse selbst, kopiert die notwendigen Unterlagen und beantwortet die vielen Fragen der vier Frauen entspannt und mit viel Geduld.

"Ich finde es einfach sehr schön, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Fortschritte machen. Mit ihnen zu arbeiten macht mir großen Spaß", sagt sie. Immer wieder lachen oder giggeln die Frauen und füllen den dunklen Raum mit einer gewissen Leichtigkeit.

Diese verfliegt, wenn die Frauen auf den Krieg zu sprechen kommen. "Meine Söhne sind noch dort und dürfen das Land nicht verlassen", sagt Elena. Die Sorgen haben sich in ihr Gesicht gegraben. Hier in der Seidlstraße ist der Krieg allgegenwärtig. Wenn man mit den Frauen im Hotel Regent spricht, bekommt er ein persönliches Gesicht.

Auch deshalb sind Angebote wie der Deutschkurs von Julia Prez so wichtig: Für einen Moment verschwinden die Sorgen.

von: Michael Netzhammer

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