„Allein der Umstand, dass Menschen auf der Straße schlafen, ist traurig“
Streetwork bei der Teestube "komm"

Viermal die Woche suchen Veronika und Daniel gezielt Orte auf, die im eleganten Stadtbild Münchens oft übersehen werden. Als Streetworker*innen beraten sie Menschen, die durch jedes Raster gefallen sind.
Es ist einer dieser viel zu heißen Spätsommertage. Es ist Freitag-Nachmittag. Hier in München läuten die ersten mit einem Sprung in den kalten Eisbach und einem Aperol Spritz das Wochenende ein.
Veronika und Daniel ziehen ihre gewohnten Runden durch die Straßen. Dabei suchen sie Orte auf, die im eleganten Stadtbild Münchens oft übersehen werden. Denn sie beraten Menschen, die durch jedes Raster gefallen sind.
Veronika, 24 Jahre alt und Daniel, 28 Jahre alt, sind Streetworker bei der Teestube „komm“ einer Einrichtung des Evangelischen Hilfswerks der Diakonie München und Oberbayern.
Neben ihren Beratungsangeboten rücken sie bis zu viermal wöchentlich auf den Straßen Münchens aus. Als Streetworker*innen suchen sie obdachlose Menschen auf, weisen auf Hilfsangebote hin und motivieren die Betroffenen, die Angebote insbesondere zur Unterbringung in Anspruch zu nehmen. Meistens gehen sie zu Fuß los, stets ausgerüstet mit einem medizinischen Notfallset.
Die beiden kennen die Orte, die sie ansteuern, genau, denn viele ihrer Klient*innen begleiten sie schon eine ganze Weile. Dennoch, so Daniel, sei jeder Tag anders. „Man weiß nie, wie viele Personen man antrifft. Mal ist überhaupt keiner an den angesteuerten Plätzen, manchmal sind es aber auch größere Gruppen.“
Er versuche dann einfach mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Der größte Teil ihres Jobs sei Beziehungsarbeit, erklärt Daniel.
Es ist manchmal schwierig, Zugang zu den Menschen zu finden. „Es ist wirklich hart, wenn wir erkennen, dass Hilfe notwendig ist, aber die betroffene Person die Hilfe nicht annehmen kann“, sagt Veronika.
In solchen Momenten sei es entscheidend, beharrlich zu bleiben, fügt Daniel hinzu. Er erinnert sich an einen Fall, bei dem eine obdachlose Person nach unzähligen gescheiterten Versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen, schließlich eigenständig den Tagesaufenthalt der Teestube „komm“ im Schlachthofviertel aufsuchte. „Dann hat er einfach angefangen, mit uns zu sprechen, das war echt ein Wow-Moment.“
Veronika ergänzt: „Oft sind es die kleinen Gesten und Momente, die unseren Job so erfüllend machen wie beispielsweise ein ehrliches Dankeschön.“
Veronika arbeitet erst seit ein paar Monaten bei der Teestube „komm“. Und doch scheint es so, als wäre sie schon ewig auf den Straßen Münchens unterwegs.
Während die beiden an Aperol-schlürfenden Münchner*innen in schicken Bars vorbeilaufen, ruft sie plötzlich: „Schau mal, da ist Peter*!“ Ihr Blick richtet sich auf einen älteren Mann mit vielen Taschen an einer Bushaltestelle. Mit ihrem geschulten Auge machen die beiden die Menschen sichtbar, die in der Großstadt oft übersehen werden.
Die beiden bahnen sich den Weg durch Mengen hastig telefonierender Menschen mit Aktentaschen. Ihr Ziel: ein Münchner Park. Die Isar fließt beinahe unwirklich türkis an Kieselwegen vorbei, gerahmt von gepflegten Grünflächen. Die zwei halten bei einem kleinen Haufen gewissenhaft gefalteter Kleidung und Schlafsäcken. Der Schlafplatz einer ihrer Klient*innen.
„Viele Menschen fallen aus dem typischen Klischee eines obdachlosen Menschen. Einige arbeiten auch“, erklärt Veronika.
„Allein der Umstand, dass Menschen draußen auf der Straße schlafen, ist traurig“, betont sie. „Es gibt einfach zu wenig passgenaue und gleichzeitig niederschwellige Übernachtungsmöglichkeiten. Vor allem für Menschen, die aus jedem Raster fallen.“ Unter einer Münchner Brücke endet die heutige Tour der beiden.
Der Tagesaufenthalt der Teestube „komm“ ist auf die Unterstützung von Ehrenamtlichen angewiesen. Möchtest Du ebenfalls obdachlosen Menschen helfen?
Dann wende Dich gerne an uns:
Telefon: (089) 77 10 84
Mail:
*Name geändert
Diakonie München und Oberbayern - Innere Mission München e.V.
Landshuter Allee 40
80637 München