Aktuelle Herausforderungen im Ehrenamt
Ehrenamt – Quo vadis? Teil 3
Freiwilliges Enagement ist noch zu oft vom finanziellen Hintergrund einer Person abhängig, erklärt Andrea Betz im dritten Teil der Serie "Ehrenamt – Quo vadis". Darin zählt sie vier große Herausforderungen auf.
- Vielfalt im Ehrenamt entwickeln
Wir meinen: Ehrenamt lohnt sich – und die Hürden für ein Ehrenamt sollten möglichst gering sein. Das bedeutet zum Beispiel Wege zu finden, wie auch Menschen mit einer Behinderung ehrenamtlich mitarbeiten können. In den Ehrenamtsstatistiken scheint es oft, dass Menschen mit Migrationsbiografie weniger stark ehrenamtlich engagiert sind. Aber das stimmt nicht! Sie sind nur viel öfter informell engagiert. Hier gilt es, ihr Engagement sichtbarer zu machen und auch die Vorteile nutzbar zu machen, die ein formelles Ehrenamt bietet. Und natürlich gilt es, Engagementmöglichkeiten zu schaffen, die für junge Menschen attraktiv sind, etwa digitale Engagementformen oder spontane und kurzfristige Engagementmöglichkeiten. Daran müssen wir in der Diakonie noch arbeiten. Und in einer so teuren Stadt wie München stellt sich auch oft die Frage: Wer kann es sich leisten, Zeit für das Ehrenamt aufzubringen? Wie können wir auch Menschen mit geringem Einkommen ein Engagement ermöglichen, ohne das Ehrenamt zu einer Art von geringfügiger Beschäftigung zu machen? - Ehrenamt braucht Begleitung: Zeit und Geld für professionelle Ehrenamtskoordination
Damit ein Ehrenamt bereichernd sein kann, braucht es gute Bedingungen. Dazu gehört eine gute Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen. Dazu gehören Hauptamtliche, die qualifiziert sind für die Begleitung von Ehrenamtlichen – von Akquise bis zu Einarbeitung und Anerkennungskultur – und die Zeit haben für die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen. In manchen Arbeitsbereichen wird das von den Zuschussgebern bereits erkannt, aber oft muss die Freiwilligen- (bzw. Ehrenamts-) Koordination nebenher mitgemacht werden. Wir brauchen von Politik und Verwaltung mehr Bewusstsein, wie viel sozialer Mehrwert erreicht werden kann durch eine gute Begleitung von Ehrenamtlichen. - Finanzierung der Freiwilligendienste sicherstellen
Die Erfahrung zeigt: Die Teilnahme an einem Freiwilligendienst ist zu oft vom finanziellen Hintergrund der Person abhängig. Gerade junge Menschen aus einkommensschwachen Familien können, trotz Interesse, keinen Freiwilligendienst leisten, weil das Taschengeld zu knapp bemessen ist. Mit einer bundesweiten Kampagne unter dem Motto "Freiwilligendienst stärken" versuchten im vergangenen Jahr viele Träger von Freiwilligendiensten und viele Freiwillige eine Verbesserung der Finanzierung zu erreichen (Anlehnung an BaFög). Aber dann kam zunächst mal der Schock: Im Regierungsentwurf des Bundeshaushaltes für das Jahr 2024 waren ursprünglich Kürzungen in Höhe von 78 Millionen Euro vorgesehen – 25 Millionen für die Jugendfreiwilligendienste und 53 Millionen für den Bundesfreiwilligendienst. Winzige Summen, wenn man sich manch andere Etatposten anschaut, aber für die Freiwilligendienste wären das rund ein Viertel weniger Plätze gewesen!
Inzwischen steht fest: Die geplanten Kürzungen wurden zurückgenommen. Offen ist allerdings weiterhin die Finanzierung der Freiwilligendienste im Bundeshaushalt 2025. Wir werden gemeinsam weiterhin Lobbyarbeit leisten müssen, um die Freiwilligendienste mittelfristig abzusichern, nicht nur kurzfristig.
Ganz konkret bedeuteten die Streitigkeiten um den Haushalt 2024, dass viele Bundesfreiwillige wegen der Haushaltssperre ihren Dienst zunächst nicht antreten konnten. Da wurden dann auf einmal die Lebenspläne junger Menschen durcheinandergewirbelt. - Kein Ersatz für Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge
Freiwilliges Engagement ist oft dort sehr schnell vor Ort, wo staatliche oder kommunale Stellen nicht so schnell oder nicht ausreichend Hilfe bereitstellen können. Das wurde während der Corona-Pandemie deutlich, ebenso im Jahr 2015 oder im vorletzten Jahr beim Angriff auf die Ukraine, als eine sehr große Zahl von geflüchteten Menschen versorgt werden musste. Das ist eine große Qualität des freiwilligen Engagements. Es darf aber auch nicht dazu führen, dass der Staat sich aus seinen Aufgaben zurückzieht, sondern freiwilliges Engagement und staatliche Stellen müssen sich sinnvoll ergänzen.
Teil 1: Was bedeutet Ehrenamt für uns als Diakonie?
Teil 2: 7 Gründe – Warum es sich lohnt, sich ehrenamtlich zu engagieren
Die Serie entstand im Zusammenhang mit der Podiumsdiskussion "Ehrenamt – Quo vadis?" im SALON LUITPOLD. Der nächste Teil der Serie erscheint am 8. März 2024.
Diakonie München und Oberbayern - Innere Mission München e.V.
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