Ein Stolperstein für Josef Eisenmann
Im KZ Dachau ermordet
Josef Eisenmann wurde 1937 im KZ Dachau ermordet. Im August und Oktober 1935 war er in Herzogsägmühle, das damals Teil eines bayerischen Zwangsfürsorgesystems war. Kürzlich wurde in seiner Geburtsstadt Augsburg ein Stolperstein für Josef Eisenmann verlegt.
Josef Eisenmann ist am 24. Juni 1906 in Augsburg geboren. Seine Eltern sind Eugen und Ottilie Eisenmann, geb. Lämmermayer. Was wir über Josef wissen, stammt überwiegend aus den Dokumenten der Machthaber und ist mit Skepsis zu genießen. Seine eigene Perspektive, seine Wertvorstellungen, Ziele, Sehnsüchte kennen wir nicht.
Nach der Absolvierung der Volksschule arbeitet Josef als Hilfsarbeiter und Hausbursche. Wegen seiner unzureichenden Ausbildung ist er gezwungen, sich auf der Wanderschaft Arbeit zu suchen.
Als 18-jähriger ist Josef 1924 in Fechenheim, dann 1925 in Darmstadt auf Arbeit. Zwischen 1926 bis 1928 und 1929 bis 1933 begibt er sich von Augsburg aus auf Arbeitssuche, vornehmlich im süddeutschen Raum. Wann immer er nach Augsburg zurückkehrt, wohnt er bei seinen Eltern am Oberen Hunoldsgraben 25.
Gnadenloses Vorgehen gegen sogenannte "Gemeinschaftsfremde"
Gegen Wanderarbeiter, ebenso gegen Obdachlose, Alkoholiker, Bettler, Kleinkriminelle, und Fürsorgeempfänger gehen die Nationalsozialisten von Anfang an erbarmungslos vor. Sie gelten als sogenannte "Asoziale", gegen welche sie ab November 1933 "Maßnahmen der Sicherung und Besserung" ins deutsche Strafrecht einführen.
Neben der "Sicherungsverwahrung" sind fortan Zwangsunterbringung in Heil- und Pflegeanstalten, Trinkerheilanstalten, Entziehungsanstalten und Arbeitshäusern, Reichsverweisung und sogar die "Entmannung" "gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher" möglich.
Angeklagte, welche die Gerichte wegen Bettelei, Landstreicherei, Verwahrlosung oder Obdachlosigkeit verurteilt haben, können nun im Anschluss an die Strafhaft direkt in ein Arbeitshaus eingewiesen werden. Hierbei ist der Ermessenspielraum der Gerichte groß.
Im Visier der Polizei und der Nazis
Josef gerät mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt. 1935 sitzt er in Heidelberg im Gefängnis ein, später im Strafgefängnis Landsberg, immer wegen Bettels oder kleinerer Vergehen. Im August und Oktober 1935 ist er in der Herzogsägmühle bei Peiting nachweisbar. Das Wohlfahrtsamt der Stadt Augsburg hat ihn dort eingewiesen.
In der Herzogsägmühle müssen in engster Zusammenarbeit zwischen Fürsorge und Polizei die sogenannten "Nichtsesshaften" Zwangsarbeit leisten. Allein 376 Männer verstarben dort an Unterversorgung. Josef legt dort kurz nach seiner Einweisung am 8. August nachmittags gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen die Arbeit nieder, weil die Verpflegung unzureichend ist und er sich krank fühlt. Daraufhin wird ihm die Unterstützung gestrichen.
Von Ende April 1936 bis Februar 37 befindet Josef sich in der Anstalt Bernau am Chiemsee. Wir kennen seine Vergehen nicht, aber die jeweils kurze Dauer seiner Gefängnisaufenthalte lassen darauf schließen, dass es sich um Trivialdelikte handelt. Bettelei und Landstreicherei genügt den Nazis als Grund, um inhaftiert zu werden.
Einlieferung ins KZ
Von Augsburg aus wird Josef am 13 März 1937 ins KZ Dachau eingeliefert. Josef hat die Häftlingsnummer 11895 und ist im Block 8 Stube 2 untergebracht. Die Begründung seiner Inhaftierung lautet auf Polizeiliche Sicherungsverwahrung (PSV) und ASO (Asozial).
Josef Eisenmann verstirbt am 13. Oktober 1937 nach 7 Monaten im KZ. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird Josef Eisenmann wie die anderen auf der Liste aufgeführten jungen Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren auf grausame Weise gefoltert, schikaniert und dann ermordet. Zum Zeitpunkt seines Todes war Josef Eisenmann 31 Jahre und 4 Monate alt.
Die Gruppe der sogenannten "Asozialen" war weitaus weniger als andere Häftlingsgruppen in der Lage, gemeinsame Strategien für den Überlebenskampf in den Lagern zu entwickeln.
Auf der untersten Stufe der Häftlingshierarchie
In der Hierarchie der Häftlinge nahmen sie den untersten Platz ein. Sowohl Lagerpersonal wie Mitgefangene begegneten ihnen mit der gleichen Voreingenommenheit und Ablehnung, die ihnen auch in der Gesamtgesellschaft entgegengebracht wurde: "Asoziale" galten als unzuverlässig und unsolidarisch, ihr Verhalten untereinander war von Hass, Eifersucht und Missgunst geprägt. Gegenseitige Verleumdungen erschwerten ihnen den ohnehin harten Lageralltag.
Polizeiliche "Sicherungsverwahrung" als spezifisch nationalsozialistisches Unrecht
Die Vorbeugehaft hat als spezifisch nationalsozialistisches Unrecht zu gelten, denn weder war der Freiheitsentzug richterlich angeordnet noch befristet noch durch Rechtsmittel anfechtbar noch an das Begehen einer konkreten Straftat gebunden, also an Kriterien, die heute für einen Rechtsstaat verbindlich sind.
Bei den sogenannten "Asozialen" genügte "gemeinschaftsschädigendes" Verhalten für eine "Sicherungsverwahrung" aus. Zum Zeitpunkt der Verhängung der "Vorbeugungshaft" hatten die vermeintlichen "Asozialen" ihre Strafen bereits verbüßt. Gemessen an rechtsstaatlichen Maßstäben waren sie rehabilitiert. Dennoch kamen sie ins Konzentrationslager.
Hohe Sterblichkeitsrate im KZ
Jens-Christian Wagner, der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora beziffert die Sterberate der sogenannten "Sicherungsverwahrten" im Konzentrationslager Mittelbau-Dora auf 70 Prozent.
Im Konzentrationslager Bergen-Belsen verstarben die Hälfte aller sogenannte "Berufsverbrecher" und "Sicherungsverwahrten".
Willkür und Terror in den Konzentrationslagern
Die Konzentrationslager waren jedweder Kontrolle durch die Judikative entzogen. Es herrschten Terror und Willkür. Gesundheit, Leben und Überleben der Häftlinge lagen in der alleinigen Verfügungsgewalt der SS. Jedem, der ins Konzentrationslager kam, ist allein durch die Tatsache seiner dortigen Inhaftierung Unrecht geschehen.
Späte Anerkennung der sogenannten "Asozialen" und "Gemeinschaftsfremden" als Opfergruppe
Erst am 13. Februar 2020 wurden die berechtigten Ansprüche der sogenannten "Asozialen" vom Deutschen Bundestag allgemein anerkannt. Erst seitdem erhielt die bisher ignorierte Opfergruppe einen Platz in der Erinnerungskultur.
Rehabilitierung der "Asozialen" und "Berufsverbrecher" als NS-Opfer
Die Anerkennung der sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" als NS-Opfer, ihre volle Rehabilitierung, ist ein emphatisches Bekenntnis zu den Prinzipien des Rechtsstaates.
In Augsburg werden für die Gruppe der Marginalisierten bzw. Gemeinschaftsfremden konsequent Stolpersteine verlegt. Niemand saß zu Recht im KZ.
Von: Dr. Bernhard Lehmann
*************
Stolpersteine in Augsburg
Diese Biografie von Josef Eisenmann wurde uns freundlicherweise von der Initiative Stolpersteine für Augsburg und Umgebung zur Verfügung gestellt: https://stolpersteine-augsburg.de/
*************
Lernort Herzogsägmühle
Während der Zeit des Nationalsozialismus, von 1934 bis 1945, war Herzogsägmühle Teil eines Zwangsfürsorgesystems. Der bisherige Träger, der "Verein für Arbeiterkolonien in Bayern", wurde mit seinen beiden Arbeiterkolonien - Herzogsägmühle und Simonshof in der Pfalz - in den neu gegründeten "Landesverband für Wander- und Heimatdienst" integriert. Das neue Ziel der Fürsorge in Herzogsägmühle war die Selektion der Hilfebedürftigen nach einer sozialrassistischen Auslese. In dieser Zeit wandtelte sich Herzogsägmühle zu einer tödlichen Gefahrenzone für alle, die dort Hilfe suchten. Für mindestens 430 Jugendliche und Männer bedeutete die Einweisung nach Herzogsägmühle das Todesurteil.
Heute gibt es den Lernort Sozialdorf Herzogsägmühle. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, die 130-jährige Geschichte von Herzogsägmühle zu erforschen und aufzubereiten. Anlässlich des 125-jährigen Bestehens wurde für die Menschen, die unter dieser Zwangsherrschaft zu leiden hatten oder zu Tode kamen, in Herzogsägmühle ein Ort der Erinnerung geschaffen: www.lernort-herzogsaegmuehle.de
Diakonie München und Oberbayern - Innere Mission München e.V.
Landshuter Allee 40
80637 München